Subjektive meinung von
andreas am 4.08.2012 um 14:13 uhr
Eine Sportlerin verlässt das olympische Dorf und reist nach Hause, weil man es ihr ‘nahegelegt’ hat.
Sie hat – soweit ich ich das weiß – niemanden sexuell belästigt, auch nicht mit Drogen gedealt, oder sonstige Verfehlungen begangen. Sie ist nur mit den ‘falschen’ Leuten befreundet.
Sie wird gebeten, die olympischen Spiele, für die sie seit Jahren trainiert und sich vorbereitet hat, zu verlassen, weil ihr Freund aus der rechtsextremen Szene kommt, also das ist, was man landläufig als Neonazi bezeichnet.
Hallo? Gehts noch? Man wird von offiziellen Stellen gedisst oder ausgeschlossen, weil man entsprechende Leute kennt?
Wenn man die Berichterstattung der letzten Tage verfolgt, ist Nadja Drygalla selber wohl kein Neonazi. Sie ist nicht vorbestraft, hat keine strafbewehrten Dinge (Ausländer verprügelt oder Asylantenheime angesteckt und ähnliches) getan oder ist Mitglied in einer vom Verfassungsschutz beobachteten Partei oder Gruppierung, sie hat sich sogar von der rechtsextremen Szene distanziert. Sie ist ‘nur’ mit einem Mann aus der Szene liiert. Vielleicht wirkt sie sogar positiv auf ihren Freund ein.
Darf man nicht befreundet sein mit wem man will, ohne dass man persönliche oder berufliche Konsequenzen befürchten muss? So ist sie bereits Ende September vergangenen Jahres freiwillig aus dem Polizeidienst ausgetreten – wie man liest, nach ‘intensiven Personalgesprächen‘.
Ok, Staats- und Polizeidienst müssen andere Messlatten an ihr Personal anlegen, aber wer sagt denn, dass so was jemandem in der Privatwirtschaft (z.B. einer Bank oder Versicherung) nicht auch passieren kann?
Man ist mit den ‘falschen’ Leuten befreundet und wird deswegen aus einem Verein ausgeschlossen, man verliert vielleicht seine Arbeitsstelle? Könnte mir vorstellen, dass solche Vorfälle und Ausgrenzungen Leute sogar in die Hände von Neonazis treiben. Wollen wir das? Ist das das unser Verständnis von Demokratie und Freiheit?
Die Frage, ob ihre Beziehung mit dem Neonazi dem Verband vor Olympia bekannt war oder nicht, ist müßig. Es ist nicht relevant. Schließlich geht es nicht um ihre eigene Gesinnung, sondern um die ihres Freundes.
Und diese Verlogenheit aus der Sport- und Realpolitik …
“Sie hat in dem Gespräch keinen Zweifel daran gelassen, dass sie voll und ganz hinter den Werten der Olympischen Charta steht.”
Michael Vesper, Chef de Mission
Na also. Aber trotzdem legt man ihr die Heimreise nahe. Nur keine Angriffsfläche bieten. Man stelle sich nur die Schlagzeilen in der internationalen Presse vor: Deutschland schickt Nazis zu Olympia … Und das in diesen Zeiten, wo Deutschland – wegen Eurokrise, EZB, ESM und so – eh schon der Buhmann ist.
“Ich habe eine persönliche Bitte: Treffen Sie die Unterscheidung zwischen diesem Einzelfall und unserer Olympiamannschaft. Es hat keiner aus der Olympiamannschaft verdient, in diese Sache hineingezogen zu werden. Das hat mit unserer Mannschft, die sich klar zu unserem Motto ‘Wir für Deutschland’ bekennt, nichts zu tun. Ich bitte, dies zu respektieren.”
DOSB-Präsident Thomas Bach
In welche Sache eigentlich? Und wenn sich jemand zum Motto ‘Wir für Deutschland’ bekennt, dann sind das ja wohl die Neonazis … (kleiner Scherz am Rande)
Wenigstens ihr Heimatverband stellt sich hinter sie. Richtig so.
“Nadja als Trojanisches Pferd der Neonazis im Achter darzustellen, ist abenteuerlich.” (…) “Ich kann nicht beeinflussen, an wen ein junges Mädchen ihr Herz verschenkt.”
Hans Sennewald, Präsident des Landesruderverbandes
“Wir können doch die Sportlerin nicht in Sippenhaft nehmen, die Top-Leistungen bringt, unseren Ehrenkodex unterschrieben hat und sich nicht aktiv in der Szene beteiligt.”
Torsten Haverland, Geschäftsführer des Landessportbundes Mecklenburg-Vorpommern
Für Nadja Drygalla ist Olympia und vielleicht auch ihre Karriere vorbei. Aber Hauptsache man hat sich politisch korrekt verhalten.
Deutschland und seine Vergangenheitsbewältigung. Irgendwie krank.
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